27.03.2025 Leipziger Buchmesse

Eröffnung der Leipziger Buchmesse 2025 und Preisverleihung an Alhierd Bacharevič

Dem belarussischen Autor droht in seinem Heimatland die Verhaftung, sein Buch wurde verboten

Gestern Abend fand im Gewandhaus zu Leipzig die offizielle Eröffnung der Leipziger Buchmesse 2025 statt. Der Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung ging dieses Jahr an den belarussischen, im Exil lebenden Schriftsteller Alhierd Bacharevič. Er wurde für sein Buch „Europas Hunde“ ausgezeichnet, das in seiner Heimat inzwischen verboten ist. Für Norwegen, das Gastland 2025, das sich unter dem Motto „Traum im Frühling“ in Leipzig präsentiert, sprach Lubna Jaffery, Ministerin für Kultur und Gleichstellung des Königreiches Norwegen.

Barbara Klepsch, Staatsministerin für Kultur und Tourismus des Freistaates Sachsen, übergab auf dem Höhepunkt des Abends in Vertretung des Ministerpräsidenten den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung an Alhierd Bacharevič. Er wurde für sein Buch „Europas Hunde“ (Voland & Quist) ausgezeichnet, das von Paul-Celan-Preisträger Thomas Weiler ins Deutsche übersetzt worden ist. Dem belarussischen Autor droht in seinem Heimatland die Verhaftung, weswegen er und seine Frau, die Autorin Julia Cimafiejeva, im Exil – derzeit in Berlin – leben.

„Belarus ist auf der Landkarte der europäischen Literatur ein blinder Fleck. (…) Dieser Preis für ‚Europas Hunde‘ trägt dazu bei, Belarus auf unserer literarischen Landkarte sichtbar zu machen“, sagte die Schweizer Literaturkritikerin und Autorin Sieglinde Geisel zu Beginn ihrer Laudatio auf Bacharevič. „Die ‚Karriere‘ von ‚Europas Hunde‘ in seiner Heimat allerdings dürfte in der Literaturgeschichte ohne Beispiel sein. Bei seinem Erscheinen im Jahr 2017 wurde der Roman in Belarus als ‚Buch des Jahres‘ gefeiert, zwei Jahre später war ‚Europas Hunde‘ in Russland für den Bolschaja Kniga nominiert, den wichtigsten russischen Literaturpreis. Inzwischen jedoch ist Alhierd Bacharevičs Name in Belarus aus der Literatur getilgt: Seine Bücher sind verboten, es ist gefährlich, sie zu besitzen.“

Der Preisträger sagte in seiner Dankesrede: „Mein Buch, geschrieben fünf Jahre zuvor, wurde als extremistische Literatur eingestuft. ‚Extremismus‘ ist das Etikett, das das Lukaschenka-Regime auf alles klebt, was sich nicht kontrollieren lässt und was seine Ängste nährt. Das bedeutet, dass du einfach von der Liste der Lebenden gestrichen wirst. Von nun an wirst du nur noch in der Liste extremistischer Materialien erwähnt. Jetzt ist sie der einzige Ort, an dem deine Existenz noch irgendwie bestätigt wird.“ Bacharevičs belarussischer Verleger, Andrej Januškievič, verbrachte für seine verlegerische Arbeit 28 Tage in Haft.

Nur wenn ich träume, bin ich frei

„Jedes Jahr besuchen viele norwegische Schulkinder Berlin und das Stasimuseum, um etwas über die Vergangenheit zu lernen. Ein im Museum ausgestelltes Bild, das 1987 im sonnigen Pankow in Ost-Berlin aufgenommen wurde, ist schwer zu vergessen. Es zeigt einen Mann mit einer Tätowierung, auf der steht: ‚Nur wenn ich träume bin ich frei.‘ Vielleicht war es für ihn die einzige Möglichkeit, seinen ‚Traum im Frühling‘ auszudrücken. Wir werden es wohl nie erfahren“, sagte Lubna Jaffery, Ministerin für Kultur und Gleichstellung des Königreiches Norwegen. In ihrem Grußwort betonte sie auch die traditionell starke literarische Verbindung Norwegens und Deutschlands: „Jahrhundertelang wurden norwegische Künstler und Schriftsteller stark von der deutschen Kultur und Philosophie beeinflusst. (…) Deutsche Leser scheinen die norwegische Literatur sehr zu mögen. Ich denke, das hat viel damit zu tun, dass wir einen gemeinsamen kulturellen Hintergrund und gemeinsame Werte haben und dass wir im selben Teil der Welt leben. Deutschland ist unser wichtigster Partner in Europa. Und durch die Literatur können wir uns miteinander verbinden und unsere starken Bande weiterknüpfen.“

Auch Claudia Roth, Staatsministerin für Kultur und Medien, sowie Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung begrüßten die Anwesenden.

Appell an die Bundesregierung für die sofortige Freilassung von Boualem Sansal

„Damit Worte bewegen können, brauchen sie Freiheit. Nur, wo Worte in Freiheit gedacht und ausgesprochen werden können, entstehen Geschichten mit Relevanz. Für die Freiheit des Wortes haben Menschen viel riskiert, manche ihre Leben gegeben – und tun das auch heute“, sagte Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels im Rahmen ihrer Begrüßung. Sie widmete ihre Rede Boualem Sansal, dem algerischen Schriftsteller, der 2011 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen bekommen hat. Er befindet sich seit 131 Tagen in Algerien zu Unrecht in Haft. Schmidt-Friderichs sagte am Mittwochabend im Gewandhaus zu Leipzig, Sansal gehöre zu den wenigen Intellektuellen in Algerien, die noch den Mut aufbrächten, offen Kritik zu üben. Der 80-Jährige, dessen Urteil vermutlich heute gesprochen wird, ist an Krebs erkrankt und ernsthaft in Lebensgefahr. „Es bleibt kaum noch Zeit! Ich bitte Sie als Zivilgesellschaft, als Buchbranche und als Politiker:innen: Setzen Sie sich für seine Freilassung ein!“, appellierte Schmidt-Friderichs in Leipzig eindringlich an die Anwesenden. „Lassen Sie uns Welten bewegen! Zum Guten!“

Musikalisch eingerahmt wurde die Eröffnung der Leipziger Buchmesse durch den Gewandhausorganist Michael Schönheit und das Gewandhausorchester unter musikalischer Leitung von Omer Meir Wellber mit klassischen Stücken deutscher und norwegischer Komponisten.

Die Leipziger Buchmesse findet vom 27. bis 30. März 2025 statt. Tickets sind im Online-Ticketshop erhältlich. Das Programm mit allen Autor:innen und Terminen finden Sie hier.

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Felix Wisotzki
Portraitfotografie Felix Wisotzki
Pressesprecher
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