Der lange Schatten der Guillotine

Im Herbst 1828 ging der junge Victor Hugo über den ehemaligen Place de Gréve und sah, wie der Scharfrichter die Schiene der Guillotine für die Hinrichtung einfettete. So wandert auch der Leser durch die Straßen von Paris, den Orten der Massenhinrichtungen. Dem großzügigen und doch präzisen Kompass von László Földényi folgend, dringen wir nicht nur immer tiefer in die Gassen der Stadt ein, sondern auch in das Labyrinth der aufkommenden Moderne. Mit der Geschwindigkeit eines Pfeils verschwinden ehemalige Gebäude und Viertel, um neuen Wegen und neuen Ideen Platz zu machen, „den Abdrücken der Gewalt, hinter denen die unsichtbare Vergangenheit uns noch immer heimsucht“. Noch heute wandern wir unter diesen Gespenstern umher.
László Földényi, geboren 1952 in Debrecen, ist Kunsttheoretiker, Literaturwissenschaftler und Essayist. Seit 2009 ist er Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Für sein Werk Lob der Melancholie. Rätselhafte Botschaften wurde er 2020 mit dem Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung ausgezeichnet. Auf Deutsch sind von ihm zahlreiche Werke bei Matthes&Seitz Berlin erschienen.
László Földényi: Der lange Schatten der Guillotine. Lebensbilder aus dem Paris des neunzehnten Jahrhunderts. Aus dem Ungarischen von Akos Doma, Matthes&Seitz Berlin, 2024.