Juden sind auch nicht anders

Vladimir Vertlibs Werk ist geprägt von der Erfahrung von Flucht und Vertreibung, von Heimatlosigkeit und der Suche nach den eigenen Wurzeln wie auch einem Ort, der Heimat werden könnte. Trotz der tragischen, oftmals dramatischen Handlungen und schicksalhaften Verstrickungen seiner Figuren zeigt sein Stil einen eigenen feinen, mitunter schwarzen Humor, der manche Szenen absurd und surreal erscheinen lässt – auch oder gerade weil sie auf realen Begebenheiten und Erfahrungen beruhen.
Dies trifft ebenso auf die vierundzwanzig Essays und Reden zu, die er in „Juden sind auch nicht anders“ (Edition Tandem, Salzburg-Wien 2025) erstmals gesammelt vorlegt und die in den Jahren 1995 bis 2024 entstanden und verstreut publiziert wurden. Ob es ein Gespräch ist mit einem syrischen Freund und Emigranten, eine Reflexion über den eigenen Rassismus als Staatenloser und Gestrandeter, innerfamiliäre Tragödien, die Prägung durch russische Popmusik oder ein Bericht über den Flüchtlingsstrom 2015, der von Salzburg über die Grenze nach Deutschland drängte und Emigranten wie Betreuer an die Grenze der Belastbarkeit brachte; ob es Überlegungen zu „Schreiben, Kunst und Kultur in Zeiten des Krieges“ sind, Gespräche mit einer aus Mariupol geflohenen jungen Ukrainerin, Reflexionen über die Berechtigung schöngeistiger Texte und das Schreiben in Zeiten von Facebook und TikTok oder die Erfahrungen, mit Schulklassen über die Ereignisse im Nahen Osten zu reden und auf Vorurteile oder Missverständnisse adäquat zu reagieren – immer sind Vertlibs Texte durchdrungen und geprägt von großer intellektueller Redlichkeit und tiefem Humanismus, scheuen aber auch nicht davor zurück, die eigene Person und das eigene Verhalten kritisch zu hinterfragen.

Moderation: Roman Kollmer