Drei weibliche Lebensentwürfe

Mit Annegret Liepold, Kristine Bilkau und Katharina Köller präsentieren gleich drei literarische Verlage - Blessing, Luchterhand und Penguin - herausragende neue weibliche Stimmen der Gegenwart.

In Annegret Liepolds Roman »Unter Grund« (Blessing) besucht die weibliche Protagonistin Franka den NSU-Prozess. Sie fährt zurück in die fränkische Provinz - und zum Schweigen, das nicht erst seit dem Tod des Vaters die Familie dominiert. Franka sieht endlich hin: Auf die Zeit, als sie immer tiefer in die rechte Szene abrutschte, und sie stellt sich der Frage nach der Schuld, beginnt nach einer Haltung zur Vergangenheit zu suchen. In dem feinfühlig und mit starken Bildern erzählten Roman wird die Entwicklungsgeschichte einer jungen Frau an das Psychogramm eines ganzen Landstrichs geknüpft.
Annegret Liepold, geboren 1990 in Nürnberg, erhielt für die Arbeit an ihrem Debüt »Unter Grund« zahlreiche Stipendien und Auszeichnungen. Sie arbeitet für die »Bayerische Akademie des Schreibens« am Literaturhaus München.

Husum im nordfriesischen Wattenmeer ist der Schauplatz von Kristine Bilkaus neuem Roman »Halbinsel« (Luchterhand). Hier, an der Nordsee, lebt Annett, Ende vierzig, hier hat sie nach dem frühen Tod ihres Mannes ihre Tochter Linn allein großgezogen. Linn, Mitte zwanzig, ist nach dem Abitur voller Energie in die Welt gezogen, hat sich in schwedischen und rumänischen Wäldern als Umweltvolontärin engagiert, arbeitet für ein Aufforstungsprojekt. Erschöpft von ihren Einsätzen kommt sie zu ihrer Mutter nach Husum. Mit der Zeit brechen Konflikte auf, zwischen Mutter und Tochter, aber auch zwischen zwei Generationen. Die eine muss die Lebenswirklichkeit der anderen neu verstehen lernen.
Kristine Bilkau, 1974 geboren, zählt zu den wichtigen Stimmen der deutschen Gegenwartsliteratur. Bereits ihr Romandebüt »Die Glücklichen« fand ein begeistertes Medienecho. Mit ihrem Roman »Nebenan« stand sie 2022 auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises. Sie lebt in Hamburg.

Katharina Köllers neuer Roman »Wild wuchern« (Penguin) erzählt von Marie, die auf der Flucht ist vor einer Welt, in der vieles aus dem Lot geraten ist. Sie sucht Schutz bei ihrer Cousine Johanna - seit Jahren lebt die wie eine Eremitin auf einer entlegenen Tiroler Alm. Marie und Johanna, sie könnten nicht unterschiedlicher sein: die scharfzüngige Wienerin, Geschöpf einer Luxuswelt, zugleich verwöhnt und verachtet von Ehemann Peter. Und Johanna, das »wilde Tier im Körper von einem Menschen«, das beim Erwachsenwerden scheinbar die Sprache verloren und die Gesellschaft hinter sich gelassen hat. Für die beiden Frauen beginnt ein ungewöhnliches Kräftemessen, ein Ringen um ihr Selbstverständnis, aber auch um einen gemeinsamen Weg.
Katharina Köller wurde 1984 in Eisenstadt, Österreich geboren, sie ist freiberuflich als Autorin, Schauspielerin und Theatermacherin tätig. 2020 erschien ihr Debütroman »Was ich im Wasser sah«, der mit dem Phantastikpreis der Stadt Wetzlar ausgezeichnet wurde. Sie lebt in Wien und Innsbruck.