Für die Vielfalt der Literatur und der Meinungen: Die Messe muss bleiben
Ein Abend, eine Debatte und zwei Preisträger: Zur Eröffnung des Lesefestes Leipzig liest extra in der Nikolaikirche am 26. Mai zeichnete das Kuratorium des Leipziger Buchpreises zur Europäischen Verständigung die Preisträger 2021 und 2020 aus, debattierte über die Erfahrungen aus der Corona-Zeit und eröffnete das Lesefest Leipzig liest extra, eine Veranstaltung der Leipziger Buchmesse.
„Das Wort ist stärker als das Virus“, mit diesen Worten leitete der Moderator des Abends, Reinhard Bärenz, Redaktionsleiter mdr Kultur den Abend ein. Literatur sichtbar machen, Menschen für das Lesen begeistern und über die Literatur die Gesellschaft lebendig halten – das seien die zentralen Leitgedanken der Leipziger Buchmesse, die sich auch in der Sonderedition Leipzig liest extra noch bis Sonntag widerspiegeln.
Außenbordmotor Corona
Ganz im Zeichen der Debattenkultur der Leipziger Buchmesse stand das Gespräch des Moderators zu Beginn der Eröffnungsveranstaltung von Leipzig liest extra mit Michael Kretschmer, Ministerpräsident des Freistaates Sachsen, Burkhard Jung, Oberbürgermeister der Stadt Leipzig, und Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels.
„Ich habe große Hoffnung auf einen freien und dynamischen Sommer 2021, genau so wie wir den Sommer 2020 erlebt haben“, sagte der Ministerpräsident. Auch in Bezug auf die Leipziger Buchmesse im März 2022 zeigte er sich zuversichtlich und berichtete vom Beschluss der sächsischen Staatsregierung, dass Messen ab dem 14. Juni wieder stattfinden können. In puncto Digitalisierung fiel sein Urteil gespalten aus: Die Digitalisierung habe viele Chancen geboten, etwa im Bereich der Bildung, aber sie habe auch Nachteile. „Das persönliche Gespräch ist nicht zu ersetzen“, so der Ministerpräsident weiter. In den letzten 15 bis 16 Monaten seien so viele Gewissheiten und Lebensentwürfe ins Wanken geraten. „Das muss bearbeitet werden. Wir müssen darüber sprechen, was passiert ist, dann werden wir auch wieder zusammenkommen“, erklärte Michael Kretschmer. Zudem sei die Vielfalt der Meinungen, der Verlage und der Messen, aber auch der Plattformen und der Vertriebswege in Deutschland wichtig. Sein Fazit: „Die Messe muss bleiben! Die Leipziger Buchmesse in Präsenz hat eine gute Zukunft. Sie ist sehr wichtig.“
Angesprochen auf die vielen digitalen Angebote in der Corona-Zeit, betonte Oberbürgermeister Burkhard Jung: „Es braucht schon die Messe, nicht nur aus finanziellen Interessen, sondern weil wir uns hier begegnen, miteineinander ins Gespräch kommen und die dringenden Fragen der Gesellschaft verhandeln können.“ Die Literatur habe nicht mehr die Bedeutung wie in seiner Jugend. „Wo sind die Streiter:innen, die ethischen Moderator:innen, die den Stachel in das Fleisch stecken? Ich habe diese Stimmen in den Monaten der Krise sehr vermisst.“
Corona war ein Außenbordmotor für die Buchbranche in Deutschland, reflektierte die Vorsteherin Karin Schmidt-Friderichs den Entwicklungsschub seit Beginn der Corona-Pandemie. Sie habe unmittelbar nach einer Beiratssitzung der Leipziger Buchmesse am 13. März 2020 vom Lockdown erfahren. „Ich wusste nicht, wie wir das als Branche überstehen sollten. Aber die Buchhändler:innen sind quasi durch die geschlossenen Ladentüren gekrochen und haben mit viel Kreativität agiert“, so die Verlegerin. Sie werde wohl nie mehr so viel reisen wie früher und unzählige Meeting digital absolvieren. „Aber es gibt Sachen, wie meine heutige Reise nach Leipzig zu Leipzig liest extra, darauf will ich nicht verzichten, die will ich analog erleben.“ Jede Veranstaltung, die in den kommenden Tagen in Leipzig stattfinde, trüge dazu bei, dass die Menschen die Vielfalt der Literatur und der Meinungen wieder erleben dürfen. „Wir sollten einen Fehler nicht fortsetzen: die cancel culture. Wir reagieren verständlicherweise derzeit schnell über, das ist aber nicht der intellektuelle Kurs, für den wir als Buchbranche stehen, stehen sollten, wieder stehen werden“, erklärte sie. „Welche Branche und welche Stadt können den Diskurs wieder beleben, wenn nicht die Buchbranche und die Stadt Leipzig?“
Feiern Sie das Fest der Literatur, Lesen Sie und wenn Sie Kinder haben, lesen Sie ihnen vor, appellierte Reinhard Bärenz nach der Preisverleihung abschließend an die Zuschauer:innen in der Kirche und im Netz.